Fabienne, Nadège und Frank sind Fachübersetzer*innen für ihre Muttersprache Französisch bei STAR Deutschland. Sie erzählen uns in diesem Interview von ihrem Beruf, ihrem Arbeitsalltag von den Herausforderungen und Erfahrungen, die sie im Laufe der Zeit gesammelt haben.
STAR: Könnt ihr uns erzählen, warum ihr euch für den Beruf als Übersetzer*in entschieden habt?
Nadège: Sprachen haben mich schon immer interessiert, und Deutsch ganz besonders. Beim Abitur, dem französischen Baccalauréat, waren meine Leistungskurse Philosophie, Französisch, Englisch und Deutsch. Ich wollte unbedingt einen Beruf erlernen, der mit Sprachen zu tun hat. So habe ich mich für ein Übersetzerstudium entschieden, das ich in der 1. Fremdsprache Deutsch und 2. Fremdsprache Englisch absolviert habe.
Fabienne: Fremdsprachen waren schon immer mein Steckenpferd. Beim Abitur hatte ich 3 Sprachen, danach habe ich Germanistik und Romanistik in Frankreich und Deutschland studiert. Mein Magisterdiplom habe ich in Heidelberg gemacht. Es ist ein spannender Beruf, da man mindestens in 2 Sprachen immer auf dem aktuellen Stand sein und sich ständig über die aktuellen Gegebenheiten in beiden Ländern informiert halten sollte. Die Sprache unterliegt einem konstanten Veränderungsprozess, und es gibt viele Neologismen, die in die aktuell zu übersetzenden Texte integriert werden müssen.
Frank: Ich habe Technik studiert und interessiere mich sehr für Sprachen. Ich wollte beides in Einklang bringen. Ich habe immer schon gerne in Fachzeitschriften gestöbert, um Entsprechungen auf Französisch zu finden.
STAR: Französische Muttersprachler*innen sind meist sehr stolz auf ihre Sprache. Geht es dir auch so, und was ist an deiner Muttersprache so besonders?
Nadège: Ja, in der Tat. Ich bin stolz auf meine Muttersprache. Französisch ist eine sehr schöne, aber auch ziemlich komplexe Sprache. Die Grammatik ist nicht so einfach, und sie enthält sehr viele Ausnahmen.
Fabienne: Französisch hat den legendären Ruf, eine schwierige Sprache zu sein, aber was ist mit Chinesisch oder Ungarisch oder Thailändisch mit ihrem nicht-lateinischen Alphabet und ihren zahlreichen Besonderheiten? Ganz „objektiv“ finde ich meine Muttersprache schön 🙂 Ihr Wohlklang, ihre zahlreichen Nuancen, ihr kompliziertes Regelwerk, die nicht ausgesprochenen Buchstaben und Wortendungen, die eine Herausforderung darstellen. Als Beispiel ein netter und gar nicht technischer falscher Freund: le baiser (der Kuss) vs. das Baiser (die Meringue, ein Schaumgebäck aus Ei und Zucker).
Frank: Was den technischen Aspekt anbelangt, ist Französisch allerdings ärmer als Deutsch oder Englisch. Es stellt immer eine Herausforderung dar, komplexe technische Texte richtig wiederzugeben. Man kann im Französischen keine Komposita bilden, indem man einzelne Substantive einfach zusammenfügt. Das macht das Übersetzen schwieriger.
Unsere Fachübersetzer*innen Fabienne, Nadège und Frank (hier mit Bob, Zweiter von rechts)
STAR: Welche Herausforderungen meisterst du beim Übersetzen im Arbeitsalltag?
Nadège: Zu den alltäglichen Herausforderungen zählen zum Beispiel die Übersetzungen von fachspezifischen Texten, bei denen ein sehr spezielles Vokabular benötigt wird. Das können juristische Texte oder komplexe technische Zusammenhänge sein, die einen hohen Rechercheaufwand erfordern. Daneben gibt es manchmal auch Metaphern oder Wortspiele, die nicht so einfach zu übersetzen sind, weil sie in der Zielsprache keine Entsprechung haben. Eine Herausforderung stellen auch Texte dar, bei denen eine Längenbegrenzung zu berücksichtigen ist. Hier müssen übersetzte Begriffe trotz Kürzung verständlich bleiben, und das ist nicht immer einfach.
Fabienne: Der Anspruch der Kund*innen ist über die Jahre gestiegen, die Komplexität der Texte erfordert heute mehr Recherche; der Zeitdruck bei den Lieferterminen ist manchmal enorm, und es gibt zahlreiche Besonderheiten, die bei jedem Kunden individuell sind und sich manchmal widersprechen. Langeweile gibt es keine, und Flexibilität ist von Vorteil.
Frank: Ich übersetze Texte, die häufig sehr spezifisch sind und Vorkenntnisse voraussetzen. Nicht immer sind die Ausgangstexte gut formuliert, und oft fehlt der Kontext; das gilt vor allem für kurze Übersetzungen und Nachträge zu Übersetzungen, die ich nicht kenne. Viele Übersetzungen gehen anschließend zur Freigabe, aber die Korrektoren*innen haben nicht alle dieselben Wünsche und Vorstellungen. Auch das erschwert meine Arbeit. Marketingtexte sind eine besondere Herausforderung, weil man Abstand vom Original nehmen muss; im Allgemeinen beanspruchen sie viel mehr Zeit als rein technische Texte.
STAR: Gibt es in diesem Zusammenhang einen Wunsch, den du gerne an die Redakteur*innen adressieren würdest, die die Ausgangstexte der Texte schreiben, welche du später zur Übersetzung bekommst?
Nadège: Mein Wunsch wäre zum Beispiel bei Texten mit Längenbegrenzung, dass Redakteur*innen die Tatsache berücksichtigen, dass eine Übersetzung länger sein kann als der Originaltext. Bei manchen Texten fehlt der Kontext komplett. Hierzu ist es immer hilfreich, Referenzdateien zu schicken (Screenshots, Bilder oder Ähnliches), um Missverständnisse zu vermeiden.
Fabienne: Die Verfasser*innen der Ausgangstexte sollten bedenken, dass die Texte übersetzt werden und dass ihre Slogans, Claims, Redewendungen oder Witze nicht unbedingt 1 zu 1 in die Fremdsprache übertragen werden können. In so einem Fall versuche ich immer, etwas Neues, Idiomatisches und Passendes zu finden, das auf Französisch dieselbe Wirkung erzielt.
STAR: Wie siehst du das Thema der maschinellen Übersetzung? Welche Chancen und welche Risiken ergeben sich dadurch für deine Berufsgruppe?
Zusammenfassung der Antworten aller 3 Fachübersetzer*innen: Die Fortschritte der maschinellen Übersetzung sind rasant, und ihre Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen, da sie kostengünstiger ist und Zeit spart. Sie wird immer besser, wenn sie mit qualitativ hochwertigem, korrektem und überprüftem Referenzmaterial gespeist wird.
Allerdings sind die Ergebnisse oft noch unzuverlässig und nicht immer kohärent. Das Korrekturlesen und Finalisieren von maschineller Übersetzung (MTPE genannt) erfordert mehr Konzentration als das Arbeiten mit dem üblichen Referenzmaterial. Einfache technische Texte werden von den MT-Engines meist richtig wiedergegeben, für uns Übersetzer*innen bleiben eher komplexe Passagen übrig.
Es ist eine neue Form des Übersetzens, eine ganz andere Arbeit. Unsere Aufgabe als Human-Übersetzer*innen besteht darin, die Feinheiten und Nuancen aufzuspüren. Hier steckt der Teufel im Detail!
Über die Zukunft meiner Berufsgruppe mache ich mir momentan jedoch keine Sorgen, denn bei juristischen Texten, Werbe- und Marketingtexten oder anderen fachspezifischen Texten kann eine professionelle Übersetzung durch Human-Übersetzer*innen nicht ersetzt werden. On verra !
STAR: Sicher bietet dir deine Arbeit auch ab und zu mal Gelegenheit zum Schmunzeln. Fallen dir Beispiele für lustige Fehler oder Missverständnisse in einem ausgangssprachlichen Text oder einer Übersetzung ein?
Fabienne: Ein Beispiel, das mir kürzlich untergekommen ist, als ich eine andere Übersetzung geprüft habe: „Barcode nicht lesbar“ = „Code bar non lisible“; (rückübersetzt: bar = die Bar. Gemeint ist aber Strichcode = „code barre“).
Frank: In englischen Ausgangstexten sehe ich öfter „break“, wo eigentlich „brake“ stehen müsste, und im Deutschen steht immer wieder „Reperatur“ statt „Reparatur“.